Pages

Categories

Suche



2012-11-28_3

Voraussetzungen für eine „Medi­zi­nische Fakultät OWL“ schaffen, Ärztemängel im ländlichen Raum wirksam bekämpfen

Plenarprotokoll der Rede

Videomitschnitt der Rede

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte fünf Zuschauer hier und überall sonst!

(Heiterkeit)

Ich bin ein Einzelfall. Man soll sich in der Politik nicht an Einzelfällen auslassen, aber ich stehe dem Einzelfall sehr nahe, ich bin es selbst. Deshalb sage ich es: Ich komme aus Bielefeld. Dort habe ich 18 Jahre lang gelebt und bin zum Studieren nach Düsseldorf gekommen und hier irgendwie kleben geblieben. Also scheint das ab und zu mal zu funktionieren.

Die Frage ist natürlich: Klappt das andersherum? Ich sage: Ja, Bielefeld ist eine tolle Stadt. Bielefeld findet man, wenn man dort länger wohnt, auf jeden Fall schön.

(Heiterkeit)

Natürlich gilt das auch für Bad Oeynhausen und die Krankenhäuser, in denen man seine praktische Ausbildung machen kann.

Das ist Bielefeld. Aus Bielefeld kommt man auch als Student manchmal raus. Man fährt ab und zu vielleicht mal nach Herford in die Disko – dort gibt es das GOPARC! und das X. Dort kann man also Herford erleben. Vielleicht fährt man auch mal nach Gütersloh. Wenn man in Bad Oeynhausen ist, geht man vielleicht auch mal nach Minden.

(Zurufe)

Aber die Frage ist – apropos Klebeeffekt –: Kommt man dann auf die Idee, sich in Versmold, Brakel, Barntrup oder Petershagen als Arzt niederzulassen? Das ist nicht so wie im Ruhrgebiet, wo Stadt an Stadt grenzt und man sowieso überall ist, sondern man ist dann in Bielefeld.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Beer?

Oliver Bayer (PIRATEN): Natürlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Bayer, herzlichen Dank für das Ermöglichen einer Zwischenfrage im Gegensatz zu Herrn Abruszat. Ich finde es erst einmal schön, dass Sie sich zu Ihrer Herkunft aus Bielefeld bekennen. OWL ist groß.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass im Gegensatz zum Vorvorgänger von Frau Schulze, nämlich Herrn Pinkwart, der das Wort „Medizinfakultät“ immer nur in Überschriften genannt hat, die Landesregierung jetzt schon für den Haushalt 2012 200.000 mal mehr einstellt, als Herr Pinkwart jemals in den Haushalt des Landes eingestellt hat,

(Widerspruch von der FDP)

und zwar für das Begründen einer Medizineinrichtung in OWL, um den Anfang zu machen?

(Zuruf von den PIRATEN: 200.000 mal null ist null!)

Oliver Bayer (PIRATEN): Das ist ja auch schön. Es ist so oder so wichtig, etwas zu tun. Dieser Antrag sagt aber nicht: „Wir wollen eine Medizinfakultät gründen“, sondern: Wir wollen eine Medizinfakultät, um den Ärztemangel im ländlichen Raum wirksam zu bekämpfen. – Der SPD-Antrag folgt dem, nur mit wesentlich weniger Geld und Aufwand. Man möchte also eine kleine Lösung.

(Zurufe von der SPD)

– Okay. – Aber dieser Klebeeffekt ist trotzdem das Argument. Umgekehrt – darauf wollte ich noch kommen – funktioniert der Klebeeffekt eventuell besser. Vorhin wurde schon gesagt, es ist noch nicht bewiesen, ob der überhaupt funktioniert. Wenn ich umgekehrt aus Brakel komme und mich entscheide, Medizin zu studieren, erst mal nach Köln, Aachen oder Münster gehen muss und dort etwa der Liebe wegen kleben bleibe, bin ich für eine eventuelle Niederlassung in Brakel verloren. Wenn ich die Möglichkeit habe, nach Bielefeld oder in die Nähe von Bielefeld zu gehen …

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Im Krankenhaus arbeiten!)

– Man kann natürlich auch sagen: Okay, ich studiere in Bochum und arbeite dann in Oerlinghausen. In Oerlinghausen gibt es zwar auch Krankenhäuser, aber ich meine Bad Oeynhausen oder Paderborn.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau!)

Im Krankenhaus kann man eine praktische Ausbildung machen, okay.

Das war heute Morgen in der Haushaltsdebatte schon Thema, und da wurde gesagt: Es kommen Leute von extern und bleiben dann in der Region. Diese Sichtweise ist zumindest für mich nicht Grund genug, dort eine Fakultät einzurichten. Die kleine Lösung ist noch eine andere Sache.

Für eine Fakultät müssen noch viele andere Punkte erfüllt sein. Wenn man Bielefelder fragt, wollen viele gerne eine Medizinische Fakultät haben. Man fühlt sich als medizinischer Schwerpunktstandort: mit Bethel – da haben wir gerade die tolle Ausstellung –, mit der Uni, an der Gesundheitswissenschaften mit Biologie, Sozialmedizin, Pflege, Pädagogik angeboten werden. Eine Clusterbildung ist schön und klingt erst mal gut. Aber um den Ärztemangel im ländlichen Raum wirksam zu bekämpfen, müssen noch einige Voraussetzungen mehr erfüllt sein.

Bielefelder wiegeln auch ab und sagen: Wir distanzieren uns zum einen vom Kirchturmdenken. Zweitens fragen sie: Ist es nicht viel wichtiger, andere Fakultäten, zum Beispiel die Sozialwissenschaften, an der Bielefelder Uni zu stärken? Oder: Bielefeld hat auch viele Schulden; da können sie nicht mit einer Medizinischen Fakultät ankommen.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Was wollen Sie konkret?)

– Was ich will? Ich bin bei den Diskussionen, die vorausgegangen sind, und bei den Versprechungen von Herrn Pinkwart nicht dabei gewesen. Ich will mir vor allen Dingen einen Überblick verschaffen – ich freue mich auch, dass der Antrag erst in den Ausschuss überwiesen und nicht direkt abgestimmt wird –, um zu sehen: Macht das insgesamt Sinn?

Ich glaube, es gibt viele andere Möglichkeiten, um den Ärztemangel zu beheben. Wir könnten unterschiedliche Anreize schaffen, damit Leute aus Brakel und Versmold Medizin studieren oder praktische Ärzte sich dort niederlassen. Wichtig wäre, die Allgemeinmedizin zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie einen besseren Status, ein besseres Image bekommt und an den Unis einen besseren Stellenwert hat. Es werden schon zusätzliche Lehrstühle für Allgemeinmedizin eingerichtet, damit das Fach einen höheren Stellenwert bekommt. Es gibt aber noch viele andere Ansatzpunkte. Ich will die Kassenärztliche Vereinigung jetzt gar nicht erwähnen; darüber könnten wir mindestens noch mal zehn Minuten reden.

Eine Medizinische Fakultät, um Ärztemangel im ländlichen Raum wirksam bekämpfen zu können, ist zwar erst mal okay, aber ich möchte noch ein paar Argumente mehr haben.

Bis zur Beratung im Ausschuss habe ich für die kleine Lösung sicherlich noch viel mehr Informationen, sodass wir im Ausschuss gut weiterkommen.

Meine Redezeit ist zu Ende. – Vielen Dank, auch für die vielen Anmerkungen von Ihnen. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer.

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1475

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1554