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Bezahlbare Wohnungen dürfen in Düsseldorf nicht nur Insellösungen sein: Zur aktuellen Entwicklung, zur Flexiquote der Stadt, Durchmischung und Hammer Dorfstraße

Bezahlbare Wohnungen dürfen in Düsseldorf nicht nur Insellösungen sein: Zur aktuellen Entwicklung, zur Flexiquote der Stadt, Durchmischung und Hammer Dorfstraße

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30. Juni 2013
Allgemein, Blogbeitrag von Oliver Bayer
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Hammer Dorfstraße Nr.9

Hammer Dorfstraße Nr.9

Wohnen in Düsseldorf ist teuer – Neuvermietungen liegen im Schnitt bei 10 Euro/qm – und gebaut werden augenscheinlich nur noch teurere Wohnungen, die so gut nachgefragt werden, dass dringend benötigter Wohnraum für die „Normalbevölkerung“ nicht von selbst entsteht. „Der Markt“ schafft keinen bezahlbaren Wohnraum und die Stadt wollte dies wohl auch bislang nicht: Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers lehnt „billiges Wohnen“ in Düsseldorf ab und verweist auf das Umland. Die Folgen sind Segregation (Entmischung von Bevölkerungsgruppen) im großen Maßstab und hausgemachte Verkehrsprobleme bei der Bewältigung der Pendlerströme.

Doch in den letzten Monaten nahm der Druck auf die Stadt zu. Bundesweit und lokal stand das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ monatelang auf der Tagesordnung, in Düsseldorf u.a. initiiert durch Protestaktionen eines breiten Bündnisses.

Am Samstagabend endete eine Dauerwohnungsbesichtigung in Düsseldorf. Sie dürfte mit zweieinhalb Tagen – herkömmliche Hausbesetzungen nicht mitgerechnet – eine der längsten der Düsseldorfer Geschichte gewesen sein. ;-)

Hausbesetzung? Was war passiert?

Bei der Städtischen Wohnungsgesellschaft Düsseldorf (SWD) stehen knapp 250 Wohnungen leer, die von der Stadt gepachtet wurden. Warum die Stadt die Wohnungen nicht weitervermieten möchte ist Spekulation, aber genau darum – also um Spekulation – könnte es sich handeln. Im konkreten Fall an der Hammer Dorfstraße lässt die Stadt 34 ehemals günstig vermietete Wohnungen in bester Lage leer stehen – direkt am Hafenviertel, dem teuersten Stadtteil Düsseldorfs.

Der kleine "Her mit dem Mietvertrag"-Altar in der dauerbesichtigten Wohnung

Der kleine „Her mit dem Mietvertrag“-Altar in der dauerbesichtigten Wohnung

Das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ organisierte für Donnerstag eine Protestaktion mit Pressekonferenz vor den Gebäuden und da die Türen zu einer Wohnung in der Hammer Dorfstraße 9 offen standen, bot sich die Gelegenheit zur Wohnungsbesichtigung, denn immerhin waren einige der Aktivisten bereit, sofort in die freien Wohnungen einzuziehen. Nach einem Gespräch mit Vertretern der SWD durfte die Besichtigung im Stil einer Hausbesetzung bis Samstag 22:00 Uhr dauern und die große Mehrheit der Protestler war mit dem Zeitraum soweit zufrieden – natürlich bereit, sofort wieder aktiv zu werden, sollten die weiterführenden Gespräche scheitern.

Vorteil der langen Besichtigung: Auch Presse und Politiker konnten sich vom Zustand der Gebäude überzeugen. Nachdem am Donnerstag und Freitag andere Piraten (u.a. Olaf Wegner) vor Ort waren, habe ich am Samstag vor dem Finale auch eine teilweise von den temporären Bewohnern geführte Besichtigung vorgenommen: Zumindest bei den Hausnummern 3-9 handelt es sich um augenscheinlich qualitativ hochwertiges Mauerwerk, die Doppelglasfenster sind in gutem Zustand, kein Schimmel o.ä. in den verlassenen Wohnungen sichtbar – allerdings auf dem Dachboden.

Ausblick nach Norden: Wer sieht die S-Bahn?

Ausblick nach Norden: Wer sieht die S-Bahn?

Der Ausblick nach Süden ist malerisch, Südost wird gerade neu gebaut. Im Norden liegt die S-Bahn, aber versteckt durch Bäume und einen angenehmen Hinterhof. Die Sanitäranlagen – im Treppenhaus – sind demontiert, bezugsfertig ist etwas anders. Neben den Toiletten dürfte die fehlende Zentralheizung ein Problem bei einer etwaigen Sanierung sein.

Am Montag wird für die SWD ein Gutachter die Wohnungen bzgl. Sanierung und Vermietbarkeit unter die Lupe nehmen. Ich mutmaße, dass eine seichte Sanierung (einigermaßen preiswert und ohne die Häuser komplett leerziehen zu müssen) möglich ist. Es gibt einen Bedarf an solchen Wohnungen in Düsseldorf und vom schlechten Zustand manch anderer Häuser sind die in der Hammer Dorfstraße weit entfernt.

Natürlich liegen die Mietshäuser ausgesprochen gut, direkt an S-Bahn und Straßenbahn, direkt am Hafenviertel, direkt vor riesigen Freiflächen. Doch gerade hier muss die Stadt dafür sorgen, dass günstiger Wohnraum vorhanden ist. Sie mag an dieser Stelle (z.B. auf der Straßenseite gegenüber) Wohnungen für 7-9 Euro/qm aufwärts ergänzen, aber im Sinne einer gesunden Durchmischung müssen gerade hier Wohnungen im unteren Preissegment bereitgehalten werden. Am elegantesten kann dies die Stadt selbst mit stadteigenen Wohnungen lösen: was für ein Glück, dass die Stadt dort diese Wohngebäude besitzt.

Ja, die Toiletten sind sanierungsbedürftig

Ja, die Toiletten sind sanierungsbedürftig

Doch anstatt als Stadt neue Wohnungen bis 7,50 Euro/qm zu schaffen oder der SWD zur Sanierung und Instandhaltung Geld zur Verfügung zu stellen, muss die SWD 46% ihrer Mieteinnahmen an die Stadt abführen. Dass die SWD damit nicht im Sinne der Bewohner und der Düsseldorfer Aufgabe zur Wohnraumschaffung arbeiten kann, ist klar.

Anfang Oktober 2012 wunderte ich mich bereits, dass im Falle der Neubebauung der Ulmer Höh‘ nicht nur die Stadt Düsseldorf, sondern auch das Land bloß fünf bis zehn Prozent sozial geförderten Wohnungsbau vorsahen. Wie an vielen Orten forderten wir Düsseldorfer Piraten da bereits einen Anteil von 30% für Sozialwohnungen und weiteren 10% Studentenwohnungen in der Nähe von Universitäten.

Im Landtag wurde inzwischen (statt unserer weit sinnvolleren Anträge ;-) ein Antrag der Fraktionen SPD/Grüne angenommen: „Bezahlbares Wohnen und wohnungspolitische Innovationen brauchen bezahlbares Bauland“. Mit dem Verkauf von Grundstücken darf das Land als Auflage 30% öffentlich geförderten Wohnraum fordern, dafür darf ohne öffentliche Ausschreibung verkauft werden. Leider ist die Auflage nur eine „kann“-Möglichkeit und ich bezweifle, dass der Verkauf landeseigener Grundstücke zu womöglich sehr günstigen Konditionen die richtige Wahl ist, um für einen sehr kurzen Zeitraum 30% davon mit günstigeren Wohnungen zu bestücken. Die Mietpreisbindung läuft aus, der Boden bleibt für immer verkauft. Nun, im Falle der Ulmer Höh‘ wären 30% mehr als 5%.

Die neue Flexiquote der Stadt: Auf die Durchmischung achten!

Auch die Stadt Düsseldorf schmückt sich seit wenigen Tagen mit Quoten: Im durch CDU, Grüne und FDP verabschiedeten Handlungskonzept „Zukunft Wohnen“ (plus Ergänzungsantrag) ist festgelegt, dass bei neuen Projekten 20% der Wohneinheiten im geförderten Mietwohnungsbau und weitere 20% im preisgedämpften Wohnungsbau zu errichten sind – wobei bei unter 100 Wohneinheiten pro Projekt das „muss“ zum seichten „soll“ wird. Die 20% preisgedämpfter Wohnungsbau bedeuten 8,50 Euro/qm, wenn dafür ebenfalls öffentliche Mittel fließen, ansonsten wird unter „preisgedämpft“ 10 Euro/qm Nettokaltmiete verstanden und die Wohnungen können alternativ auch für höchstens 2.500 Euro/qm verkauft werden.

Die Quote für Sozialwohnungen darf man ob des dringenden Bedarfes in Düsseldorf als zu flexibel und zu niedrig ansehen; die Preisgrenze für den preisgedämpften Wohnungsbau als zu hoch. Auch die zusätzlich zugesicherten 1,5 Millionen Euro für die SWD sehe ich skeptisch: Sie sind für Modernisierung und Ersatzneubau gedacht (bedeutet nebenbei Mietsteigerungen), die SWD braucht jedoch weit mehr Mittel, vor allem auch für die Schaffung von zusätzlichem, neuem bezahlbaren Wohnraum in der ganzen Stadt.

Ein weiteres Problem sehe ich in den Flexiquoten des Handlungskonzepts: Im Konzept kommt das Wort „Durchmischung“ zwar als Teilziel vor, die Flexiquoten haben aber womöglich eine große Lücke. Investoren großer Bauprojekte Düsseldorfer Luxuswohnungen versuchen so wenig günstige Wohnungen wie möglich direkt neben dem Luxusbereich zu bauen. Sie möchten die Stadt dazu bringen, zu akzeptieren, dass die Sozialwohnungen an anderen Stellen der Stadt erbaut werden dürfen. D.h. es würden weiterhin Luxusghettos entstehen und eine Durchmischung fände nicht statt.

Hintergrund ist die Angst der Luxus-Kunden vor Sozialwohnungen in direkter Nähe. Diese Kunden, weniger der Investor selbst (dafür ist die Rendite wohl in Düsseldorf zu gut), fordern die Segregation – wohl in Unkenntnis dessen, was Sozialwohnungen überhaupt sind und dass eine Entmischung letztlich allen Düsseldorfern schadet. Die Luxusbewohner wollen Szene, sie wollen das Düsseldorfer Flair, sie wollen Stadtleben und Bäcker, Rewe, Kindergarten, Schule nebenan. Wenn sie jedoch nicht zulassen, dass sich alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen und ausgewogen verteilt im Stadtgebiet niederlassen können, dann werden auch sie langfristig all das verlieren. Das muss jedem Düsseldorfer klar sein.

Zweckentfremdung von Wohnungen verhindern

Noch ein kleiner Exkurs: Wir haben im Mai in das Plenum des Landtags den Antrag „Wohnungsangebot sichern – Zweckentfremdung von Wohnungen verhindern“ eingebracht. Ziel ist eine neue landesweite Regelung, um die Zweckentfremdung von Wohnraum (Büros, Leerstand) zu verhindern: Kommunen erhalten einen Genehmigungsvorbehalt.

Doch schon jetzt kann jede Kommune eine eigene Zweckentfremdungsverordnung einführen und dies somit auf lokaler Ebene regeln. Für Düsseldorf wäre das ein kleines aber wirkungsvolles Instrument: Nur noch sehr begrenzt könnten Wohnungen zu Anwaltskanzleien o.ä. werden und auch der Leerstand stände unter Kontrolle.

Wie geht es weiter?

Die SWD wird am Donnerstag 4. Juli 2013 mit den Aktivisten (allerdings nicht mit den direkten Wohnungs-Interessenten) bzgl. der Wohnungen auf der Hammer Dorfstraße verhandeln. Ab 12:45 Uhr werden die Gesprächspartner im Rahmen einer Kundgebung auf der Witzelstraße angefeuert.

Sicherlich wird dies ein Meilenstein in der Wohnungspolitik der Stadt sein. Wir stehen vor einem Punkt, der ein Umdenken einleiten oder Eskalation bedeuten kann. Die Stadt hat derzeit alle Fäden in der Hand und ist am Zug. Der Druck auf die Stadt wird vor allem vor dem Hintergrund der kommenden Kommunalwahl nicht nachlassen, doch er kann konstruktiv und beständig sein und Düsseldorf zum Handeln bewegen …oder deutlich heftiger ausfallen.


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