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Forschungsförderung bei Tierversuchen und Alternativen

Forschungsförderung bei Tierversuchen und Alternativen

Dies ist meine Antwort auf eine Frage bei Abgeordnetenwatch zur Forschungsförderung bei Tierversuchen im Münsteraner Labor der Firma Covance:

Als Abgeordneter der Opposition und vor allem auch als Mitglied der Piratenfraktion ist es mir sehr daran gelegen, Missstände im Parlament zu thematisieren ..und aufzudecken, was womöglich unter dem Schleier des „weiter so“ seit Jahren oder Jahrzehnten schief läuft und endlich ans Tageslicht gebracht werden muss. Ich werde also nicht leichtfertig sagen, dass die Politik oder eine Verwaltung schon alles richtig macht und dann ein paar Scheinargumente und Lippenbekenntnisse anführen.

Gleichzeitig liebe ich Fakten und versuche mich wann immer möglich in alles einzuarbeiten, was mir angetragen wird. Nach meinen Recherchen gehe ich davon aus, dass keine Steuergelder aus dem Haushalt des Landes NRW für Tierversuche der Firma Covance verwendet werden. Auch „hinten rum“ über die institutionelle Forschung oder die Universitäten des Landes sehe ich keine finanzielle Unterstützung der Firma durch das Land NRW.

Frage: „Da mir bekannt ist, dass Tierversuche in Deutschland mit bis zu 2-stelligen Milliardenbeträgen subventioniert werden (entgegen tierversuchsfreier Forschung mit Summen im 1-stelligen Millionenbereich) [..]“

Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass „Tierversuche in Deutschland mit bis zu 2-stelligen Milliardenbeträgen subventioniert werden“. Ich kann nur annehmen, dass Sie die konkreten Gelder  für Projektförderung für „Alternativmethoden zum Tierversuch“ (darunter die Bekanntmachung des BMBF und das Förderprogramm aus Baden-Württemberg) mit allen Subventionen (einschließlich steuerlicher Begünstigungen etc.) im Pharmabereich vergleichen. Das wäre in meinen Augen genauso falsch wie zu behaupten, dass die Tierversuchsforschung keinerlei Subventionen in Anspruch nähme. Das DPZ in Niedersachen erhält institutionelle Förderung genauso wie entsprechende Universitäten auch in NRW.

Eine Projektförderung oder anderweitig gezielte Förderung für Tierversuche gibt es in NRW nicht. Wie auf Bundesebene mit dem Programm „Alternativmethoden zum Tierversuch“ stoße ich auch auf EU-Ebene zunächst auf die Förderung von Tierversuchsalternativen. Im siebten Forschungsrahmenprogramm (FP7) waren dies u.a. Forschungsprojekte unter dem Titel „Safety Evaluation Ultimately Replacing Animal Testing“. Das Projekt NOTOX zur Entwicklung neuer Computermodelle wird bis Ende 2015 von der EU mit knapp 5 Millionen Euro unterstützt. ESNATS (Leitung Uni Köln) erhielt 12 Millionen Euro aus dem FP7 – etc. Die EU-Kommission spricht von insgesamt 200 Millionen Euro für tierversuchsfreie Toxikologieprojekte [siehe hier]. Der Nachfolger des FP7 ist Horizont 2020 – hier wage ich noch keine Prognose wie hoch die Forschungsförderung für Tierversuchsalternativen ausfällt.

Über den konkreten Nutzen der Tierversuche der Firma Covance in Münster habe ich keine Kenntnis. Die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen zweifle ich jedoch nicht grundsätzlich an, auch wenn mir die generellen Probleme dabei bekannt sind: Wichtig ist mir, dass die Tierversuche nicht durchgeführt werden, wenn die Übertragbarkeit nur mutwillig hergestellt wird, um irgendein Protokoll zu erfüllen – d.h. um Rechtssicherheit durch die Durchführung eines Tierversuches zu erlagen, egal wieviel Sinn dieser macht.

Ich finde es wichtig, dass es bei Tierversuchen auch in der Politik einen starken Willen gibt, sie überflüssig zu machen und durch für Mensch und Tier bessere Verfahren zu ersetzen. Das EU-Verbot der Vermarktung von Kosmetik- und Hygieneprodukten halte ich für einen wichtigen Baustein. Tierversuche, die keine (Menschen-)leben retten, sind unnötig und mit dem Tierschutz nicht vereinbar. Über den Rest darf man streiten.

Die Politik muss alles dafür tun, dass Computersimulationsmodelle etc. schnell besser und rechtssicherer werden. Sie muss dafür vor allem die Rahmenbedingungen setzen (was wir allerdings nicht direkt hier in NRW tun). Wenn Pharmaunternehmen nur noch auf Tierversuche setzen, weil sie sich davon mehr Rechtssicherheit versprechen, dann läuft etwas falsch. Wenn die Vorteile von Tierversuchen schwinden, dann verschwinden auch die Tierversuche. Davon bin ich überzeugt und halte das für den richtigen Weg in eine Zeit ohne Tierversuche.

Eine Vermischung mit Themen wie „Homöopathie ist besser“ (hier beziehe ich mich auf andere Zuschriften), „es sind sowieso zu viele Medikamente auf dem Markt“, „Designer-Medikamente“ oder „falsch verschriebene Medikamente“ (Stern-Artikel) halte ich für kontraproduktiv, weil es weg vom Problem „Tierversuche“ führt. Das sind andere Baustellen.