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Geld für Wohnen und Verkehr: Beim Stichwort „Betrunken am Hauptbahnhof“ haben sie zugehört

Geld für Wohnen und Verkehr: Beim Stichwort „Betrunken am Hauptbahnhof“ haben sie zugehört

Während der 13-Stündigen Haushaltsdebatte heute wurde am späten Abend auch der Bereich Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr besprochen. Als ich dann die Geschichte aus Mainz und den Folgen des Alkohols erzählte, hörten auch alle zu – inklusive Zwischenrufe (im Video nicht so gut zu verstehen).

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Streamgäste,

Bei uns werden Prioritäten gesetzt.
Ansonsten bleibt man steh’n.
Man sollte es schon wissen:
Wohin – will man geh’n?

Rot-Grün erzählt oft, was wir hören wollen hier.
Aber was passiert? – Es bleibt nur Papier.

[…passt zur Melodie von Elsas Lied „Let it go“ im Film Frozen. Ich suche noch Menschen, die es komplett singen können. ;-) ]

Papier:

Auf dem Papier tut die Landesregierung auch nicht immer – aber oft – so, als würde Sie tolle Arbeit leisten.

* Bei den markigen Worten, den meist richtigen Worten, ist Minister Groschek unübertroffen gut. Das kann er.

* Einzelne Marketingaktionen, Infrastrukturbündnisse, Absichtserklärungen und schöne Worte auf Papier, das geht auch.

* Aber das muss sich auch im Haushalt widerspiegeln!

* Doch Generelle Prioritäten und Schwerpunkte will ich im Haushalt sehen und wenn Rot-Grün ein Gesetz durchbringt, dann will ich auch, dass es funktioniert! und nicht am Geld scheitert.

Ein Beispiel ist die „Wohnungspolizei“, das Wohnungsaufsichtsgesetz, das ohne Landesmittel nicht funktioniert. Es bleibt zahnlos! Diese Wohnungspolizei reduziert sich in der Praxis auf einzelne spektakuläre Aktionen, wenn sowieso an den Rand gedrängte Menschen aus ihren Häusern vertrieben werden. Von einer Lösung des Problems der Raubrittermentalität einzelner Immobilienbesitzer kann da überhaupt keine Rede sein. Aus anderen Ländern und Städten wissen wir, dass Planstellen geschaffen werden müssen. In Frankfurt am Main waren es z.B. sechs.

Wie sollen die NRW-Kommunen alleine die Kosten stemmen?

Wir machen noch einen Haushaltsänderungsantrag dazu.

Die Mietpreisbremse verfehlt ihr Ziel, weil auch hier Geld für u.a. qualitativ hochwertige Mietspiegel fehlt. Hier soll nun nachgebessert werden. Mieterverbände und auch wir Piraten erzählen das von Anfang an.

Überall müsste es mehr Personal geben, um die Ziele von Rot-Grün umzusetzen. Auch um bürokratisch bedingte Verzögerungen beim Wohnungsbau und die damit steigenden Kosten aufzulösen. Ja, die Landesbauordnung, Frau Philipp, mag für Sie nicht Haushaltsrelevant sein. Aber einiges muss zumindest durch zusätzliches Personal flankiert werden. Das wird weiterhin meist allein den Kommunen überlassen, die nicht alle alleine leisten können, was sich das Land vermeintlich „kostenneutral“ ausdenkt.

Und um in Zeiten geringer Zinsen mal sinnvoll in preiswertes Wohnen zu investieren:
Wo finde ich denn die Unterstützung der draußen breit diskutierten neuen Gemeinnützigkeit? Die „Renaissance der Wohnungsgemeinnützigkeit“, die Herr Ellerbrock zitiert hat.

Wo ist denn die Förderung infrastrukturell benachteiligter Räume?
Wo ist das Programm zur Erhaltung und Entwicklung ländlicher Regionen?

Der SPD fehlt der Mut, die Dinge wirklich zu ändern.

Lieber klammert man sich an traditionelle, aber auch traditionell wirkungslose Rezepte.

Gibt es Hoffnung für die SPD?

Ja, vielleicht.

Irgendwann.

Sie keimt bei den JuSos.

Und sie hat etwas mit Alkohol zu tun.

Und mit einer ungewollten Vermischung von Politikern und Realität.

Sie kennen das.

Sie haben ein bisschen zu viel getrunken und schwupps … befinden Sie sich 500 km entfernt auf einem Bundeskongress der JuSos.

Also: Einer jungen Mainzerin ist genau DAS passiert.

Nach einer Party am Donnerstag wartete die Studentin nachts um 03:45 Uhr am Mainzer Hauptbahnhof auf die Straßenbahn. Ziel: Das Bett zu Hause in Mainz.

Noch vor der Straßenbahn kam aber ein Reisebus der JoSos aus dem Saarland. … auf der Weiterfahrt nach Dresden zum JuSo-Bundeskongress. Die Mainzerin stieg ein, schlief auf einem der Sitze ein und … bemerkte ihren Irrtum dann irgendwo bei Erfurt.

„Man muss die jungen Leute da abholen, wo sie sind: Besoffen auf dem Mainzer Busbahnhof.“ war der erste Kommentar dazu auf der Facebookseite der JoSos Saar.
Es folgte der Vorschlag: „Beitrittsformular rausholen und als Gast akkreditieren“
Antwort: „Bin dran!“

Shanghaien nennt man das, oder?

Der Skandal ist aber NICHT, dass man anscheinend den jungen Leuten nicht einmal mehr betrunken einen JuSo-Mitgliedsantrag andrehen kann.

Die Story ist, dass es am Mainzer Hauptbahnhof anscheinend Sinn macht, werktags mitten in der Nacht um Viertel vor Vier auf eine Straßenbahn zu warten.

Oberhausen ist sogar etwas größer als Mainz. Dort aber warten Sie zeitgleich vergeblich, Herr Groschek. Wie auch irgendwo anders in NRW. Dabei wäre der Bedarf da.

Die JoSos bedauern auf Facebook auch, dass man die betrunkene Studentin in den Medien mehr beachtet als das schöne Antragsbuch. Also, ich beachte es.

In Antrag A1 heißt es: „Wir wollen den ÖPNV massiv ausbauen. Wir brauchen mehr Anbindungen und häufigere Fahrzeiten – zur Entlastung der Städte, insbesondere aber in ländlichen Regionen. Wir wollen überall kostengünstigen und in Zukunft auch fahrscheinlosen Nahverkehr durchsetzen.“

Richtig so!

Antrag O1 führt dann aus, dass die Mobilität der Zukunft politisch forciert werden muss, es ein aktives Umdenken geben muss. Die Entscheidungsfaktoren für Mobilität: Zeit- und Kostenaufwand könne der Staat beeinflussen. Mit einem Ausbau des ÖPNV, Fahrradstraßen, Car- und Bikesharing.

Negative Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs, wie Luftverschmutzung, Lärm und Flächenverbrauch müssten reduziert werden. Mit: Temporeduktion, Umweltzonen, Mautbereichen, Parkraumbewirtschaftung.

Ich ergänze: Eine solche neue Priorisierung und eine Aufholjagd der zum Auto alternativen Verkehrsmittel müssen sich auch im Haushalt widerspiegeln. Sonst hecheln Sie nur hinterher. Und dieser Haushalt hechelt hinterher.

Minister Groschek stellt ja gerne beim Güterschienenverkehr fest: Alle wollten Güter auf die Schiene bringen, aber niemand hat es gemacht, weil die Straße immer Priorität hatte.

Aber dann kultivieren Sie diese Historischen Fehler doch nicht.

Dann setzten Sie die Versäumnisse vergangener Jahrzehnte doch nicht fort.

Wollen Sie wirklich, dass wir in ein oder zwei Jahrzehnten auch über die Versäumnisse der Vergangenheit in 2017 sprechen müssen? Über vertane Chancen, ein verlorenes Jahrzehnt, in dem man hätte umsteuern können, aber welches nur mit markigen Worten markiert wurde, nicht mit markigen Taten.

Sie haben da das Jahrzehnt der Baustellen ausgerufen. Es sind die falschen Baustellen.

Ja, die Verkehrspolitik in NRW ist auch so eine ewige Baustelle, auf der nie jemand arbeitet, die aber für lange Staus sorgt. Die Landesregierung will hier nicht investieren: Wohnen und Infrastruktur sind keine Schwerpunkte bei Frau Kraft.

Der Einzelplan 09 des Bau- und Verkehrsministeriums liegt bei den EINNAHMEN an ZWEITER Stelle aller Ministerien. Das heißt, es kommen viele Mittel vom Bund.

Bei den AUSGABEN allerdings liegt Groscheks Ministerium an SIEBTER Stelle der Ministerien. An letzter Stelle aller Ministerien, die stark investieren und nicht nur steuern müssen.
An allerletzter Stelle. Das merkt man.

Man merkt, dass der Landesregierung Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr nicht wichtig sind. Und man merkt, dass das Ministerium hier tote Pferde reitet und keine neuen Prioritäten setzen will. Von Paradigmenwechseln ganz zu schweigen.

Klar, Minister Dobrindt im Bund ist auch ewig gestrig. Aber das darf auch kein Vorbild sein.

Bei Radschnellwegen ist der NRW-Haushalt tatsächlich eine nicht ganz so große Luftnummer wie der Bundeshaushalt – der nichtvorhandene 25 Millionen als Durchbruch feiert – aber sonst:

* Auch NRW investiert nur ein paar Planungskosten in Radschnellwege.
Von einem Programm für ein Radschnellwegenetz oder gar einem Aufbruch in niederländische oder Kopenhagener Verhältnisse darf man da nicht sprechen.

* Dann: Weiterhin keine zusätzlichen Mittel für den ÖPNV,

* keine Anschubfinanzierung für die Zukunft der Mobilität,

* für die Verkehrswende

* oder wenigstens eine kleine neue Prioritätensetzung in der Verkehrspolitik.

* Die Idee der Regionalbussysteme aus der ÖPNV-Enquetekommission wird zwar aufgegriffen, soll aber mit den Mitteln bezahlt werden, die dringend für die S-Bahnen eingefordert wurden.

* Es fehlt Geld für Personal, für die Umsetzung von Wohnungsaufsichtsgesetz, Mietpreisbremse und verzögerungsfreies Bauen.

Wir werden einiges davon noch mit Haushaltsänderungsanträgen geraderücken und damit auch den Blick in die Zukunft richten. Die Zukunft des Wohnen und Lebens in NRW und die Zukunft einer Mobilität für alle – alle Menschen und den Wirtschaftsstandort NRW.

Dazu gehört der Weg hin zu Bus und Bahn #fahrscheinfrei.

Und: Wenn Sie unser Antragsbuch nicht mögen.

Die JuSos haben dazu in Dresden auch eine klare Forderung verabschiedet – eine aus dem Piraten-Wahlprogramm von 2010 und 2012, die zeigt wie man mal anfangen könnte: „Die Auswahl, Förderung und wissenschaftliche Begleitung von Modellregionen, in denen fahrscheinloser ÖPNV praxisnah erprobt werden kann mit dem Ziel, solche Angebote flächendeckend zu etablieren.“

Vielen Dank!