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Pendlerpauschale umkrempeln!

Pendlerpauschale umkrempeln!

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21. September 2019
Allgemein, Blogbeitrag von Oliver Bayer, Verkehr
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Die Erhöhung der Pendlerpauschale ist Teil des Klimapakets, dabei müsste die Pendlerpauschale für den Klimaschutz abgeschafft werden. Ich habe einen Vorschlag zur Güte: Pendlerpauschale umkrempeln! Statt Kilometergeld: Bus und Bahn fahrscheinfrei für alle! Das will ich mit Euch diskutieren. Ich habe diesen längeren Text verfasst, um die Diskussion und eine Überarbeitung des Vorschlags zu starten. Ich möchte Eure Hinweise sammeln und dann einen prägnanteren Text für eine Petition erstellen. Ich denke, die Zeit ist reif für diesen Vorschlag. Es hat sich in den letzten Jahren und Monaten viel getan und vielleicht kann der Fauxpas mit der Pendlerpauschale im Klimapaket so wenigstens ein Anstoß für eine moderne Verkehrswende sein:

Das Klimapaket macht den Eindruck einer Klimapostkarte: Soll nett aussehen, enthält aber nichts. Die teuren Zuschussförderungen sind eher Lobbygeschenke für etablierte Industrien. Doch der Schein trügt: In einige Fällen ist das Klimapaket sogar kontraproduktiv.

So sind viele Presseartikel mit »Tanken wird teurer!« betitelt. Dabei werden sich die wenigen Cent kaum bemerkbar machen. Die normalen Schwankungen des Spritpreises sind viel höher. Das ist ein Problem. Denn jede Preiserhöhung der nächsten Jahre wird nun dem Klimaschutz zugeschrieben. Für das Akzeptanz-Wirkungs-Verhältnis wäre es besser gewesen, der Spritpreis (also der CO2-Preis insgesamt) wäre sofort deutlich für den Klimaschutz gestiegen.

Der schlimmste Fauxpas allerdings ist die völlig unnötige Erhöhung der Pendlerpauschale, als könne man damit irgendeinen Klima-Skeptiker zufriedenstellen. Das ist ein Trostpflaster, mit dem überhaupt keine höhere Akzeptanz für höhere CO2-Preise erzielt wird. Und einen sozialen Ausgleich schafft sie sowieso nicht: Denn, um die erhöhte Pauschale nutzen zu können, muss man genug Steuern zahlen und den Arbeitnehmer-Pauschbetrag für Werbungskosten überschreiten. Es handelt sich um einen Extrabonus für Menschen, die das Geld nehmen, ohne es zu brauchen – für die Akzeptanz und soziale Gerechtigkeit fällt da nichts ab.

Für den Klimaschutz ist die Pendlerpauschale schädlich!

Die Pendlerpauschale ist dafür verantwortlich, dass es sich gefühlt rechnet, einen langen Anfahrtsweg zur Arbeitsstelle zu haben. Dabei verursachen lange Pendlerwege der Gesellschaft hohe Kosten. Die Verkehrsinfrastruktur muss für den Berufsverkehr dimensioniert werden: Also für die Pendlerinnen und Pendler. Die Pendlerpauschale belohnt das Wohnen auf dem Land und das Arbeiten in der Stadt. Diese Zersiedlung erfordert einen gigantischen Aufwand für alle Infrastrukturen. Beim ÖPNV hat man den Zusatzaufwand meist gescheut. So gibt es sie wirklich: Die Häuschen im Grünen, von denen man nur mit dem PKW in die Stadt zur Arbeit kommt, während finanziell schlechter gestellte Menschen, die auf den ÖPNV (sofern sie ihn bezahlen können) und Fußwege angewiesen sind, in der Stadt wohnen müssen. Die ganze Zersiedlungsförderung, die mit der Pendlerpauschale betrieben wird, ist alles andere als sozial sinnvoll und vor allem treibt sie nur Entwicklungen voran, die gegen den Klimaschutz arbeiten.

Für den Klimaschutz müssen wir die Pendlerpauschale abschaffen!

Nun wissen wir, dass wir die Pendlerpauschale nicht einfach abschaffen können, denn die Notwendigkeit zum Überleben auf diesem Planeten muss hinter dem politisch Machbaren zurückstehen. Das haben wir von der GroKo gelernt. Deshalb ein Vorschlag zur Güte:

1. Wir nehmen das ganze Geld für das Klimapaket und das ganze Geld der Pendlerpauschale und bauen den ÖPNV und das Radverkehrsnetz massiv aus.

2. Wir bauen die Pendlerpauschale radikal um und vereinfachen sie: Anstatt Geld fürs Rumfahren zu bekommen, bekommen alle Menschen eine für sie kostenfreie Möglichkeit mobil zu sein: Egal wie viel Steuern sie zahlen und ohne Formalkram.

Statt Pendlerpauschale Bus und Bahn fahrscheinfrei für alle!

Das Geld, das der Staat für die Pendlerpauschale ausgibt, reicht locker, um den ÖPNV massiv auszubauen und allen Menschen Bus und Bahn fahrscheinfrei anzubieten. Wenn die den öffentlichen Nahverkehr für ihren Arbeitsweg ohne weitere Kosten nutzen können, dann brauchen sie auch keine Pendlerpauschale mehr dafür in Anspruch nehmen. Zeitgleich wird der ÖPNV für alle (auch finanziell schlechter gestellte) Menschen zugänglicher, attraktiver und bequemer. Viele Arbeitswege würden durch den ÖPNV neu erschlossen.

Und was ist, wenn trotz ÖPNV-Ausbau der Arbeitsweg per Bus und Bahn noch immer unzumutbar ist? Dann gilt die Pendlerpauschale weiterhin. Wenn es keine Wahlfreiheit hinsichtlich des Verkehrsmittels gibt – also das Auto mangels ÖPNV-Alternativen genutzt werden muss, dann dürfen die Mobilitätskosten für den Arbeitsweg weiterhin pauschal abgesetzt werden.

Beispiel: Wenn der Arbeitsweg mit dem ÖPNV nachweislich mehr als doppelt so lange dauert, wie mit dem Auto oder dem Rad, dann darf ich die Pendlerpauschale ansetzen. Das ist nur unwesentlich komplizierter als den Arbeitsweg auszurechnen. Je mehr Menschen den fahrscheinfreien ÖPNV nutzen, desto mehr werden hier aber auch die Finanzämter und Steuererklärungsabende entlastet.

Der Trick an der Sache: Der Staat erhält zusätzlichen Druck, den ÖPNV auszubauen.

Schauen wir auf das Klimapaket: Die Absichtserklärung für den Ausbau des ÖPNV und für die Modellprojekte sind armselig. Ein Ausbau ist so nicht zu machen. Trotzdem erdreistet sich sogar unsere Bundesumweltministerin, im Interview davon zu sprechen, dass man ›erst mal den ÖPNV ausbauen müsste‹, um dann Anreize zur Nutzung desselben setzen zu können (Autofreie Innenstädte, 365-Euro-Ticket, Parkraumreduzierung…). Wann soll das denn sein? Vor oder nach dem Aussterben der Menschheit? Ja, der ÖPNV wird in einigen großen Städten ausgebaut (während er anderswo abgebaut wird), der Ausbau hält aber maximal mit dem Einwohnerzuwachs der Städte mit. Das ist kein Fortschritt.

Autofahren kostet die Gesellschaft viel mehr, aber am ÖPNV wird gespart. Während die Kosten für den Autoverkehr auf viele Geldtöpfe verteilt sind, sind die Einsparpotenziale beim ÖPNV offensichtlicher. Die Folgekosten der Beschneidung des ÖPNVs sind wiederum unsichtbar. Es gibt für den Staat keinen direkten Druck, den ÖPNV auszubauen und das ist schlecht.

Den Druck gäbe es aber, wenn den Staat jeder Nichtausbau des ÖPNV durch die Pendlerpauschale kostet. Wenn der Ausbau des ÖPNV auch im ländlichen Raum Erfolge erzielen würde: Der Rückgang der Erstattungen bei der Pendlerpauschale wäre dafür ein guter Indikator und könnte zur Zieldefinition genutzt werden.

Wenn wir die sukzessive Abschaffung der Pendlerpauschale mit der bundesweiten Einführung eines fahrscheinfreien ÖPNV kombinieren würden, dann hätte die Bundesumweltministerin auch ihr Henne-Ei-Problem gelöst, das sie am Handeln hindert. Der ÖPNV könnte ausgebaut werden und die Nachfrage wäre sofort da.

Denn oft scheitert der ÖPNV-Ausbau auch daran, dass sich die Nachfrage nur langsam an das erweitere Angebot anpasst. Die Menschen müssen erst langsam erfahren, dass der ÖPNV bequemer geworden ist, bevor sie ihn massenhaft nutzen. Bis das geschehen ist, ist vielerorts die neue Buslinie wieder eingestellt worden, denn so viel Geduld hat die Politik nicht. Kein CDU-Politiker kann es verantworten, dass ein Bus monatelang fast leer mit nur drei Leuten durch die Gegend fährt. Es mag sein, dass der Bus für diese drei Leute sehr wichtig ist, die Autofahrenden werden aber nur langsam umsteigen. Es sei denn… es sei denn, es gäbe da die Sache mit dem fahrscheinfreien Nahverkehr, der den Umstieg nicht nur finanziell attraktiver macht, sondern auch total einfach: Einfach einsteigen und mitfahren – ohne Tarifstudium und ohne Ticketkauf, ohne Kontrolle und ohne Hürden.

Viele Politikerinnen und Politiker, die meinen, dass der ÖPNV erst mal ausgebaut werden müsste, bevor man mehr Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen kann und dann den ÖPNV nicht ausbauen, meinen auch: Die Menschen wollen keinen ›kostenlosen‹ oder ›billigen‹ ÖPNV. Das stimmt. Sie wollen einen bequemen und einfachen ÖPNV. Fahrscheinfrei ist aber auch bequem und einfach und baut alle Einstiegs- und Umstiegs-Hürden ab. Außerdem ist es natürlich ein PR-Instrument.

Aber was ist die Pendlerpauschale? Macht sie das Pendeln bequemer und einfacher? Nein, sie funktioniert nur über den ›Preis‹. Wer also vor der ›Kostenlos-Mentalität‹ eines fahrscheinfreien ÖPNV warnt, sollte ihre/seine Haltung zur Pendlerpauschale überdenken. Wir können die Pendlerpauschale für das Klima ganz abschaffen oder im Sinne einer modernen Verkehrswende umkrempeln. Nur so lassen können wir es nicht.

Ich bin für umkrempeln und Bus und Bahn fahrscheinfrei.

Mehr dazu: www.fahrscheinfrei.de

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